Upgrade auf Debian 9 (Stretch)
Am 17. Juni 2017 wurde Debian 9.0 (Codename "Stretch") veröffentlicht. Im folgenden Artikel findet man eine kurze Anleitung zur Durchführung des Upgrades vom vorherigen Stable-Release (Debian 8 "Jessie").
Das Upgrade muss jeder zuständige Administrator selbstständig durchführen. Bei Problemen oder Rückfragen wenden Sie sich bitte an den LRZ-Servicedesk.
Debian 8 "Jessie" wird nach dem Release von Debian 9.0 "Stretch" noch ein Jahr vollständig gepflegt (oldstable). Nach diesem Zeitpunkt geht die Pflege zum LTS-Projekt über, welches die Distribution noch etwa zwei weitere Jahre mit Sicherheitsupdates versieht. Darin werden allerdings nicht mehr alle Pakete unterstützt. Da auch die LRZ-Anpassungen über die Laufzeit des Systems gepflegt werden müssen besteht aktuell keine Unterstützung bei Nutzung des LTS-Supports.
Änderungen
Debian
Die Release-Notes von Stretch sind unter https://www.debian.org/releases/stretch/amd64/release-notes/index.de.html zu finden, insbesondere das Kapitel 5 sollte vor einem Upgrade durchgelesen werden.
Die wichtigsten Änderungen sind:
- PHP wird auf PHP 7.0 aktualisiert
- MySQL 5.5 wird ersetzt durch MariaDB 10.1
- Subversion wird auf Version 1.9 aktualisiert. Wie bei jedem Versionssprung muss in jedem Checkout (Working-Directory) das Kommando "
svn upgrade
" ausgeführt werden.
Durchführen des Upgrades
Vorabaktualisierung
Ein Upgrade sollte nur von einem vollständig aktualisierten System aus erfolgen, da zum Teil Bugs beim Upgrade auf Stretch nur durch die vorherige Installation eines gefixten Pakets in Jessie gelöst werden können.
apt update apt dist-upgrade
Dieses Kommando spielt bei Jessie-Systemen auch (sofern noch nicht geschehen) das Paket debian-archive-keyring
ein, welches die PGP-Releaseschlüssel von Stretch enthält
Datensicherung
Die Daten auf dem Server müssen vor Beginn der Arbeiten selbstverständlich auf geeignete Weise gesichert werden (TSM und/oder VMware-Snapshot).
Es ist (unabhängig vom Upgrade) empfehlenswert, Änderungen im Verzeichnis /etc
zu dokumentieren. Hierzu bietet sich das Paket "etckeeper
" an, welches das /etc
-Verzeichnis in einem lokalen git-Repository speichert.
Deaktivieren von Systemmanagementtools (Puppet etc)
Da während des Upgrades eine Mischung von Versionen aus Jessie und Stretch auf der Platte ist und Dienste während des Upgrades gestoppt werden, sollten alle Tools, die regelmäßig den Systemstatus checken und unter Umständen Pakete installieren oder Dienste starten, deaktiviert werden. Ein Beispiel dafür ist Puppet, es kann sich aber auch um Ansible oder Cronjobs handeln. Ein Deaktivieren des cron-Daemons ist in solchen Fällen hilfreich.
puppet agent --disable service cron stop
Ändern der Paketquellen
In den Konfigurationsdateien für APT muss nun der Codename der Distribution von jessie auf stretch geändert werden.
sed -i 's:jessie:stretch:' /etc/apt/sources.list sed -i 's:jessie:stretch:' /etc/apt/sources.list.d/*.list apt update
Sollten hier Fehler auftreten, sind meistens Third-Party-Repositories eingebunden (z.B. Percona), von denen noch keine Stretch-Version existiert. Diese sollten vor dem Upgrade zurückgestellt und ein besonderes Augenmerk auf die Ausgabe im nächsten Schritt gelegt werden, da solche Pakete für eine veraltete Distributionsversion gerne aufgrund von Konflikten deinstalliert werden. Im Zweifelsfall sollte das Upgrade abgebrochen und auf eine aktualisierte Version gewartet werden.
Durchführen des Upgrades
Das tatsächliche Upgrade wird durch den Befehl "apt dist-upgrade
" durchgeführt (bei einer SSH-Session ist die Verwendung von "screen
" förderlich, sollte die Verbindung zwischendurch abbrechen). Die Liste der zu entfernenden Pakete sollte man kurz überfliegen, ob für den Betrieb wichtige Pakete entfernt werden.
apt update apt upgrade apt dist-upgrade
Nach Bestätigung werden nun die Pakete heruntergeladen und installiert. Es werden einige Fragen gestellt, die in den meisten Fällen mit dem Standardwert beantwortet werden können.
Die Rückfragen bei geänderten Konfigurationsdateien sollten auf Plausibilität geprüft werden. In den meisten Fällen kann aber die alte Version übernommen werden. Leichte Änderungen können auch nachträglich noch beim Aufräumen nachgezogen werden.
Vor dem Reboot sollte zur Sicherheit
sync
ausgeführt werden. Dies ist vermutlich ein Workaround, um den gelegentlichen Kernelpanic beim Reboot zu vermeiden.
Nach Abschluss der Installation muss das System neu gebootet werden.
Überprüfen und aufräumen
Nach Abschluss des Reboots sollte das System korrekt aktualisiert sein. Zwei einfache Prüfungen dafür sind die Version des laufenden Kernels sowie die Version von Debian
ping:~# uname -a Linux ping 4.9.0-3-amd64 #1 SMP Debian 4.9.30-2+deb9u3 (2017-08-06) x86_64 GNU/Linux ping:~# cat /etc/debian_version 9.1
Wenn die Systemdienste den Erwartungen entsprechen, sollte das System noch aufgeräumt werden. Wurde Puppet vor dem Upgrade deaktiviert, muss es nach dem Reboot wieder aktiviert werden.
puppet agent --enable
Löschen nicht mehr benötigter Pakete
Beim Aufruf von aptitude
sollten schon einige Dutzend Pakete zur Löschung vorgeschlagen sein. Es handelt sich zum größten Teil um veraltete Library-Versionen. Die Auswahl sollte überprüft und mit zweimal "g" bestätigt werden.
Als nächstes sollte man die Pakete in der Liste "Obsolete and Locally Created Packages" ansehen und nicht mehr benötigte Pakete zur Löschung vorgesehen werden (mit "-"). Abschließend sollten die gelöschten Pakete nicht nur gelöscht, sondern auch deren Konfigurationsdateien entfernt werden (purge). Dazu markiert man die Sektion "Not Installed Packages" und drückt "_".
Es kann sich dabei auch um Pakete handeln, die für den Betrieb notwendig sind und nicht mehr (mit diesem Paketnamen) in Stretch ausgeliefert werden.
Eine nicht vollständige Liste von betroffenen Paketen ist in den Release-Notes (https://www.debian.org/releases/stretch/amd64/release-notes/ch-information.de.html#noteworthy-obsolete-packages) zu finden.
Übersprungene Änderungen an Konfigurationsdateien
Hat man während der Installation das Ersetzen von veränderten Konfigurationsdateien verneint ("keep your currently-installed version", das Default), werden die geänderten Versionen mit der Endung ".dpkg-dist" im Dateisystem abgelegt. Diese können nun bei Bedarf noch überprüft werden.
ping:/etc# find . -name "*.dpkg-dist" ./systemd/system.conf.dpkg-dist ping:/etc# diff -u systemd/system.conf systemd/system.conf.dpkg-dist --- systemd/system.conf 2014-10-29 16:57:53.724353272 +0100 +++ systemd/system.conf.dpkg-dist 2015-04-16 17:52:48.000000000 +0200 @@ -17,14 +17,24 @@ #ShowStatus=yes #CrashChVT=1 #CPUAffinity=1 2 -DefaultControllers=cpu memory -#DefaultStandardOutput=journal -#DefaultStandardError=inherit -#JoinControllers=cpu,cpuacct,cpuset net_cls,net_prio +#JoinControllers=cpu,cpuacct net_cls,net_prio #RuntimeWatchdogSec=0 #ShutdownWatchdogSec=10min #CapabilityBoundingSet= +#SystemCallArchitectures= #TimerSlackNSec= +#DefaultTimerAccuracySec=1min +#DefaultStandardOutput=journal +#DefaultStandardError=inherit +#DefaultTimeoutStartSec=90s +#DefaultTimeoutStopSec=90s +#DefaultRestartSec=100ms +#DefaultStartLimitInterval=10s +#DefaultStartLimitBurst=5 +#DefaultEnvironment= +#DefaultCPUAccounting=no +#DefaultBlockIOAccounting=no +#DefaultMemoryAccounting=no #DefaultLimitCPU= #DefaultLimitFSIZE= #DefaultLimitDATA=
Will man die Änderungen mergen, hat sich die Nutzung des Tools sdiff
für einen side-by-side merge bewährt.
ping:/etc# sdiff -o systemd/system.conf.new systemd/system.conf systemd/system.conf.dpkg-dist # This file is part of systemd. # This file is part of systemd. [...] #CPUAffinity=1 2 #CPUAffinity=1 2 DefaultControllers=cpu memory | #JoinControllers=cpu,cpuacct net_cls,net_prio #DefaultStandardOutput=journal < #DefaultStandardError=inherit < #JoinControllers=cpu,cpuacct,cpuset net_cls,net_prio < %? ed: Edit then use both versions, each decorated with a header. eb: Edit then use both versions. el or e1: Edit then use the left version. er or e2: Edit then use the right version. e: Discard both versions then edit a new one. l or 1: Use the left version. r or 2: Use the right version. s: Silently include common lines. v: Verbosely include common lines. q: Quit. [...] ping:/etc# mv systemd/system.conf.new systemd/system.conf ping:/etc# rm systemd/system.conf.dpkg-dist
Bekannte Änderungen und Probleme
Benennung von Netzwerkschnittstellen
Wie bereits bei vielen anderen Distributionen üblich, benennt udev
/systemd
die Netzwerkschnittstellen bei Neuinstallationen nicht mehr aufsteigend (eth0
, eth1
, ...), sondern nach der vom BIOS gelieferten Slotinformation (eno*
, ens*
, ens?p*
, wl*
).
Bei Upgrades von bestehenden Servern wird diese Änderung nicht nachgezogen, da
- bei physischen Maschinen die Schnittstellen in
/etc/udev/rules.d/70-persistent-net.rules
bereits bekannt sind - virtuelle Maschinen in Abwesenheit von
/etc/udev/rules.d/70-persistent-net.rules
beim Upgrade den gesamten Mechanismus/etc/systemd/network/99-default.link
deaktivieren
Bei sehr alten virtuellen Maschinen kann die Datei /etc/udev/rules.d/70-persistent-net.rules
mit einer veralteten MAC-Adresse/Treiber existieren. Diese sollte vor dem Upgrade gelöscht werden. Alternativ kann auch die Schnittstellenbezeichnung geändert werden (Achtung: Der Name kann auch noch an anderen Stellen verwendet werden, zum Beispiel in Firewallregeln) oder die Umbenennung auf Kernel-Ebene mit einem Boot-Parameter deaktiviert werden.
Copy&Paste in VIM macht Probleme (Visual-Mode statt Paste)
Mit Debian 9 funktioniert ein Einfügen aus der Zwischenablage nicht mehr per Maus-Rechtsklick in VIM. VIM schaltet stattdessen beim Rechtsklick in einen Visual-Insert-Mode. Das Verhalten hat sich mit der neueren VIM-Version geändert. Problem siehe u.a. auch hier: https://unix.stackexchange.com/questions/318824/vim-cutpaste-not-working-in-stretch-debian-9
Lösung: Die VIM-Mouse-Awareness systemweit ausschalten. Hierzu folgendes nach /etc/vim/vimrc.local
schreiben:
set mouse= set ttymouse=
Postgresql: Manueller Schritt zum Upgrade von 9.4 (jessie) auf 9.6 (stretch) notwendig
Postgres macht kein automatisches Upgrade der bestehenden DBs auf die neue Version, sondern aktiviert die neue Version parallel dazu (auf dem nächsten freien Port, i.d.R. 5433). Das Upgrade kann aber ohne Probleme in wenigen Minuten (je nach Größe der bestehenden Datenbanken) durchgeführt werden. Voraussetzung: Keine offenen Datenbank-Verbindungen, im Zweifel postgres stoppen. Die ausführliche Anleitung gibt es hier: https://gist.github.com/dmitrykustov/27c673ec4f7abd716912e4c830910019 , die Kurzfassung hier:
# pg_lsclusters Ver Cluster Port Status Owner Data directory Log file 9.4 main 5432 online postgres /var/lib/postgresql/9.4/main /var/log/postgresql/postgresql-9.4-main.log 9.6 main 5433 online postgres /var/lib/postgresql/9.6/main /var/log/postgresql/postgresql-9.6-main.log # pg_dropcluster 9.6 main --stop # service postgresql stop # pg_upgradecluster 9.4 main # pg_lsclusters Ver Cluster Port Status Owner Data directory Log file 9.4 main 5433 down postgres /var/lib/postgresql/9.4/main /var/log/postgresql/postgresql-9.4-main.log 9.6 main 5432 online postgres /var/lib/postgresql/9.6/main /var/log/postgresql/postgresql-9.6-main.log # pg_dropcluster 9.4 main # apt-get --purge remove postgresql-client-9.4 postgresql-9.4